Vermutlich bin ich eine Mutter mit herausforderndem Verhalten. Und vermutlich geht Inklusion auch (leider) nicht ohne, dass die Betroffenen (deren Angehörige) ihre Umwelt herausfordern, ihre Komfortzone zu verlassen, um Teilhabe tatsächlich möglich zu machen.
Kurzer Rückblick: Seit ca. drei Jahren versuche ich einen Schwimmkurs für meine Tochter zu finden. Und ja- ich habe nach einem Kurs für Kinder mit Behinderung gesucht, um unter ähnlich beeinträchtigten Kindern einen geschützten Raum zu haben in dem mein (damals noch extrem wasserscheues) Kind in Ruhe Schwimmen lernen kann. Ich habe tatsächlich einen (!) solchen Kurs gefunden und schon vor der Pandemie stand ich ein Jahr auf der Warteliste ohne Aussicht auf einen tatsächlichen Beginn des Kurses. Als im Sommer 2021 endlich wieder die regulären Schwimmkurse stattfinden durften mussten natürlich erstmal die ganzen schon bestehenden Kurse weitergeführt werden – keine Frage!
Umso schöner, als über die (Regel-)Schule meiner Tochter die Einladung zu einem Ferienkurs reinflatterte, die den vielversprechenden Slogan „Jedes Kind soll Schwimmen lernen!“ trug. Eine Aktion gefördert vom Land NRW („NRW schwimmt“). Klingt super! „Jedes Kind“ klingt nach einem sinnvollen und vor allem inklusiven Angebot. Um den Anbieter nicht zu überfordern haben wir vor der Anmeldung extra „brav“ nachgefragt wie wir unterstützen können, bzw. vorgeschlagen im Vorfeld kurz persönlich zu sprechen um alle Seiten optimal vorzubereiten und ggf. noch eine extra Begleitperson für den Unterricht zu organisieren. Leider reagierte der Anbieter auf keine unserer Anfragen! Ein Armutszeugnis für einen Träger, der sich auf die Fahne schreibt „jedem Kind“ schwimmen beibringen zu wollen.
Wenige Woche später kam ein weiteres Schwimmkursangebot eines anderen Trägers über die Schule bei uns an. Was soll ich sagen, ich habe meine Tochter einfach angemeldet! Ohne Hinweis auf ihre Beeinträchtigung! Ich habe die Schwimmlehrkräfte am ersten Tag des Kurses einfach vor vollendete Tatsachen gestellt! Es stand für mich außer Frage, als Begleitperson mit in die Halle (nicht ins Becken!) zu kommen. Meine Tochter wird nach 10 Stunden nicht das Seepferdchen machen – dafür ist sie zu wasserscheu! Aber wasserscheu und ein wenig ängstlich sind auch ein paar der anderen Kinder! Und gelernt hat meine Tochter in den letzten Wochen schon einiges – und sie wird noch mehr lernen. Und wenn sie will, dann wird sie irgendwann auch schwimmen können! Wichtig ist mir, dass sie zumindest eine Chance bekommt es zu lernen!
Jetzt noch ein paar Worte zu mir. Es ist mir nicht leichtgefallen, mich zu trauen so zu handeln und das Recht meiner Tochter auf Teilhabe auf diesem Weg durchzusetzen! Es gehört Mut, Selbstvertrauen und ein starkes privates Umfeld dazu, so einen Schritt zu gehen! Keine Angst vor möglicher Ausgrenzung und Stigmatisierung zu haben und dieses Gefühl, dass man ausgegrenzt werden könnte vor allem überhaupt auszuhalten! Und das können nicht alle Eltern! Und sie sollten es verdammt noch mal auch nicht können müssen!
Wer unterstützt Vereine dabei sich offen gegenüber inklusiven Angeboten zu zeigen? Menschen mit Behinderung sollten Zugang zu Sportangeboten jeglicher Art haben, ohne dass sie vorher überlegen müssen, ob sie sich überhaupt trauen sollten in einem Sportverein in ihrer Nachbarschaft anzufragen ob sie mitmachen dürfen. Und ja – Sport bedeutet auch Leistung, u. U. sogar Höchstleistung! Das bedeutet, dass inklusiv manchmal vielleicht doch nicht optimal ist. Aber was spricht dagegen auf lokaler Ebene auch ein Sportangebot für die Langsameren unserer Gesellschaft anzubieten? Denn auch dann bedeutet Sport noch etwas für die Gesundheit zu tun, einen Ausgleich zum Alltag zu haben und gesellschaftlich und sozial aktiv zu sein!
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