Da unsere Kinder durch ihre geistige Behinderung Anrecht auf einen sogenannten „Schwerbehindertenausweis“ haben und sie außerdem in der Regel auch eine Pflegestufe bekommen, sind die Neuerungen, die im Januar 2017, im Zuge der Pflegereform, eingetreten sind, für uns Eltern natürlich von großer Bedeutung. (Nebenbei bemerkt, ich finde das Wort „Schwerbehindertenausweis“ echt ziemlich grauselig, denn vor der Geburt meiner Tochter hätte ich es nie mit dem Down Syndrom in Verbindung gebracht. Und bis heute habe ich nicht den Eindruck, dass man mit dem DS ganz, ganz, ganz furchtbar schwer, arm dran ist…so wie es dieses sperrige Wort suggeriert!) Ich werde versuchen im Folgenden einmal die Essenz dieser Reform kurz und knapp zusammenzufassen.
Die größte Veränderung ist, dass keine defizitorientierte Beurteilung mehr durchgeführt, sondern der Grad der Selbstständigkeit einer Person ermittelt wird. Dies soll, zumindest in der Theorie, den leichteren Zugang zu Sozialleistungen aus der Pflegeversicherung für Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung ermöglichen. Denn vor dieser Reform war es so, dass für die Zuteilung einer Pflegestufe fast ausschließlich Kriterien relevant waren, die Menschen mit einer körperlichen Erkrankung oder Behinderung erfüllten. Überprüft wurde, wieviel Hilfe ein Mensch in seinem Alltag in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Bewegung braucht. Dies wurde in sogenannten Pflegetagebüchern minutengenau festgehalten. Je größer hier die Differenz zu einem Menschen ohne Beeinträchtigung war, desto höher die Pflegestufe. Menschen mit einer geistigen Behinderung, psychischen Erkrankungen oder einer Demenz wurden dadurch extrem benachteiligt, da sie (eigentlich zum Glück!) körperlich relativ gut zurechtkommen, aber dennoch vergleichsweise sehr viel mehr Betreuung und Aufmerksamkeit in ihrem Alltag benötigen. Nur leider wurde hier nicht nach dem zeitlichen Mehrbedarf im Vergleich zu den „Normal-Syndromlern“ gefragt! Dementsprechend ergab sich bei der Berechnung keine Pflegestufe.
Um eben dieses „Defizit“ für die Pflegeversicherung erfassbar zu machen, mussten die Beurteilungskriterien erneuert bzw. erweitert werden.
In der Praxis hieß das zunächst einmal, dass mit Beginn des Jahres 2017 aus drei „Pflegestufen“ fünf „Pflegegrade“ wurden. Außerdem müssen für die Beurteilung keine minutengenauen Pflegetagebücher mehr vorgelegt werden. Künftig wird der Grad der Pflegebedürftigkeit anhand von 6 Modulen ermittelt:
- Mobilität
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
- Selbstversorgung
- Bewältigung und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedürftigen Anforderungen und Belastungen
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
Die Module sollen den „Alltag“ kategorisieren, um den Grad der Selbstständigkeit eines Menschen mit Beeinträchtigung im Vergleich mit einem Menschen ohne Beeinträchtigung zu beurteilen. Innerhalb dieser Module werden Punkte (i.d.R. von 0-3) vergeben. Da die Module in ihrer Relevanz unterschiedlich gewichtet werden, können die Punkte am Ende der Beurteilung in einen Pflegegrad umgerechnet werden…AAAAHHHHH!!!! What?! Für den Laien (also die Eltern!) auf den ersten Blick ziemlich kompliziert!!!
Daher kann ich aus eigener Erfahrung allen und vor allem denjenigen, die sich zum ersten Mal mit diesem Thema und einer Antragstellung auseinandersetzen, nur raten, nicht in Panik und Verzweiflung zu verfallen! Erstmal durchatmen! Als nächstes, in einem ruhigen Moment Rechner, Tablet o.ä. hochfahren und sich erstmal durch die verschiedenen Module arbeiten, um zu erfahren, was da jetzt genau beurteilt wird. Im zweiten Schritt würde ich dann damit anfangen, mein Kind in Relation zu den Modulen zu setzen. So kann man selbst schon mal einordnen, mit welchem Pflegegrad man es in etwa zu tun haben wird. Außerdem ist man dann, wenn der Medizinische Dienst im Auftrag der Pflegeversicherung vor der Tür steht, vorbereitet. Kann die, für die Einstufung relevanten, Punkte nochmal mit Nachdruck erwähnen. Um eben genau dies nicht zu vergessen, empfehle ich, sich auf jeden Fall Notizen für diesen Termin vorzubereiten. Es werden einem so viele Fragen gestellt, dass man ohne „Spickzettel“ am Ende vergessen hat, die wichtigsten Punkte zu erwähnen.
Ich habe mich im Internet mal umgesehen zum Thema und habe eine Seite entdeckt (www.pflege.de), die sehr gut zu den Neuerungen der Pflegereform informiert und außerdem einen Pflegegradrechner zur Verfügung stellt, mit dem man den Pflegegrad eines Angehörigen vorab schon einmal selbst testen kann.
Solltet ihr Hilfe benötigen oder Fragen haben, sprecht uns an oder schreibt uns einfach! Wir werden versuchen eure Fragen zu beantworten oder euch zumindest an einen kompetenten Ansprechpartner weiterleiten!
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