Habt ihr euch auch schon gefragt, wann der richtige Zeitpunkt ist um mit dem Sauberkeitstraining anzufangen? Bestimmt! Denn schließlich ist doch ein ganz verbreitetes negatives Vorurteil bei Kindern mit Down-Syndrom, dass sie ein Leben lang gewickelt werden müssen. Darum habe ich das Thema auch erst mal beiseitegeschoben und mich nicht weiter damit befasst. Schließlich würde ich ja eh länger mit wickeln zubringen als die „normalo“-Mütter. Warum also Frust einholen durch möglicherweise vergebliche oder verfrühte Versuche der Sauberkeitserziehung?!
Acht Wochen vor dem 5. Geburtstag unserer Tochter habe ich mich dann aber doch mal vorsichtig mit dem Thema auseinandergesetzt. Weil ich aber nicht wusste, wie ich anfangen soll und gerade bei diesem Thema nichts falsch machen wollte, habe ich mir bei „Kleine Schritte“ die Kriterien angeschaut, die erfüllt sein sollten bevor man überhaupt mit dem Training anfängt. Hierzu gehört z. B. dass das Kind in der Lage sein sollte selbstständig die Hose runter- und hochzuziehen oder mehrere Stunden am Stück trocken bleibt (dazu muss man die Windel ab und an kontrollieren). Überraschender Weise war unsere Tochter laut Check-Liste bereit. Also haben wir beschlossen, an den Wochenenden und nach dem Kindergarten die Windeln einfach wegzulassen und zu schauen was passieren würden. Natürlich ging erstmal das meiste in die Hose, wo auch immer wir gerade waren. Eigentlich total normal. Frustrierend war dann aber als wir feststellten, dass die Trainingsmaßnahme nach kurzem Erfolg immer schlechter verlief. Ob wir diesen riesen Meilenstein der Entwicklung je erreichen würden? Vielleicht sollten wir besser doch noch ein paar Jahre (?!) warten.
Als ich mich gerade gezwungener Maßen mit dem Gedanken anfreunden wollte entdeckte ich das Buch „Aufs Klo, fertig, los! Toilettentraining für Kinder mit Autismus und anderen Entwicklungsstörungen“ von Brenda Batts. Die Autorin stammt aus den USA, hat selbst einen Sohn mit Autismus und hat nach erfolgreichem Sauberkeitstraining das Programm „Ready, Set, Potty“ (RSP) entwickelt. Sie arbeitet als Sonderpädagogin und konnte dadurch ihr Programm noch mit vielen anderen Kindern mit diversen Entwicklungsstörungen erfolgreich durchführen. Mit ihrem Ratgeber macht sie nicht nur anderen Eltern Mut, sondern stellt quasi eine ganz präzise Anleitung für ihr Programm und dessen Durchführung zur Verfügung. Von der Vorbereitung über Checklisten und der Vorlage einer Ausscheidungstabelle ist alles dabei. Kombiniert wird das ganze mit Erfahrungsberichten von Kindern verschiedenen Alters, die tatsächlich nach vielen erfolglosen Versuchen durch das RSP trocken wurden. Hat ein bisschen was von Hokuspokus kombiniert mit viel typisch amerikanischem Tamm-tamm, dachte ich mir. Ob da jemand einfach nur sein Buch verkaufen will mit wahnsinnig optimistischen Versprechungen à la „Eine Woche RSP und ihr Kind wird trocken sein!“ – ich konnte mir nicht vorstellen, dass das klappt. Was mich aber nachdenklich gemacht hat, war die ständige Wiederholung der Aussage, dass gerade besondere Kinder eins brauchen, „Geordneter Ablauf, Vorhersehbarkeit und Routine“. Die Autorin verdeutlicht den Eltern immer wieder, dass unsere Kinder ja noch nichts anderes gelernt haben als „in die Windel machen“, vielleicht schon fünf oder sogar zehn Jahre und bis jetzt war das auch immer richtig. Wenn wir jetzt plötzlich etwas anderes von unserem Kind wollen, dann müssen wir ihm das sehr eindeutig klar machen und es im Grunde tatsächlich umerziehen und zwar konsequent und in allen Situationen des alltäglichen Lebens. Mir wurde klar, der entscheidende Fehler bei unserem Versuch war, dass wir die Windel nur Zuhause und am Wochenende wegließen. Im Kindergarten und bei größeren Ausflügen oder Hobbies blieb die Windel an. Das ist gerade für Kinder, die größere Schwierigkeiten haben Konzepte zu begreifen eine sehr zweideutige und verwirrende Situation. Unserer Tochter wurde richtig bockig, auch in der Kita, wenn wir uns mit ihr in Richtung Toilette aufmachten. Sie machte allen ganz klar deutlich „Hey, ich habe eine Windel an! Ich brauche nicht da drauf!“
Nachdem ich also das Buch gelesen hatte wurde mir klar es geht nur ganz oder gar nicht! Es stellte sich heraus, die Erzieherinnen aus der Kita waren derselben Meinung. Sie boten an schon in der darauffolgenden Woche mit dem Sauberkeitstraining zu starten. Ich hatte echt Bammel, dass es ganz furchtbar würde und sie mir nach drei Wochen sagen würden es hätte keinen Zweck. Es sollte anders kommen. Zwar bekam ich zunächst jeden Tag einen Beutel mit nasser Wäsche und ein frisch angezogenes Kind zurück. Ab Woche zwei wurden es aber schon deutlich weniger Wäschebeutel und an manchen Tagen holte ich mein Kind im selben Outfit wie ich es morgens gebracht hatte wieder ab. Jeden Tag klappte es einmal mehr rechtzeitig zur Toilette zu gehen und wir waren jeden Tag ein bisschen stolzer!
Wichtig für uns waren vor allem folgende Punkte:
- zu wissen, dass die körperlichen Voraussetzungen gegeben sind,
- wir Eltern gemeinsam dasselbe Ziel haben und an einem Strang ziehen,
- Erzieher(innen) und/oder andere involvierte Bezugspersonen mit uns gemeinsam an diesem Strang ziehen,
- Unfälle passieren immer mal wieder, sind aber nicht schlimm,
- wir halten durch, denn wir haben einen Zeitpunkt erreicht, an dem Wickeln immer mehr zur bequemeren Alternative bei eventuellen Rückschlägen des Sauberkeitstrainings geworden ist,
- ein klarer, konsequenter Schnitt tagsüber keine Windeln mehr zu nutzen macht es nicht nur unserem Kind, sondern auch uns einfacher durchzuhalten.
Daniela Bohnen meint
Wie kann ich mit Ihnen im Kontakt kommen? Ich habe auch einen Sohn mit Down Syndrom und musste Sie was fragen
Mutz meint
Ich habe eine Tochter mit Down-Syndrom – Lara Maria, 9 Jahre alt.
Vielleicht wollen wir uns mal schreiben?
Viele Grüße
Renate Susanne Mutz