Als meine Tochter auf die Welt kam, war ich sehr dankbar darüber, dass mich die Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen beglückwünschten und Sachen sagten wie „da wird heute so viel gemacht, ihr Kind kann sich mit entsprechender Förderung gut entwickeln.“…so oder so ähnlich haben wir diese Sätze in Hülle und Fülle quasi um die Ohren gehauen bekommen. Und versteht mich nicht falsch, ich finde es absolut richtig, für sein Neugeborenes mit DS Glückwünsche und positive Gedanken mit auf den Weg zu bekommen! Es zeigt, dass viel geforscht wird über die Ursachen der kognitiven Einschränkung durch das DS und wir Normalsyndromler immer besser verstehen, wie Lernen mit DS funktioniert, wie wir ihnen Dinge so beibringen können, dass sie sie verstehen. Und es ist einfach auch auf menschlicher Ebene ein Fortschritt zu leider auch noch oft gesagten Sätzen wie „…ihr Kind wird sie nicht glücklich machen, geben Sie’s besser zur Adoption frei…“ und „…ihr Kind ist krank“ und „…es wird immer ein Baby bleiben, nie Sprechen und Schreiben lernen…“. Schließlich wollen auch Eltern von normal-Syndrom Kindern nach der Geburt nicht unbedingt als erstes hören, welche Prädisposition für Krankheit x oder y vorliegt und das theoretisch die Möglichkeit besteht, das Kind könne mal auf die schiefe Bahn geraten oder ein Leben unterhalb seiner physischen oder psychischen Möglichkeiten leben.
Ehrlich gesagt, nach der Diagnose DS war einer meiner ersten Gedanken – super, wir sind raus aus der schneller-höher-weiter-Spirale! Wir freuen uns einfach über alles, was unsere Tochter mal erreicht! Und trotzdem, wenn dann Physio, Ergotherapie und Logopädie angefangen haben und links und rechts andere Kinder mit DS noch in die Reha fahren, zum therapeutischen Reiten, zum Tanzen und in irgendein Förderzentrum zur intensiv-Förderung fahren…dann fragt man sich zwangsläufig irgendwann ob man selbst wohl genug macht? Dem Kind genug anbietet damit es sich optimal entwickeln kann? Ich denke, dass hat letztendlich aber weniger mit dem Syndrom als mit dem Zustand unserer Leistungsgesellschaft im Allgemeinen zu tun! Wir sind alle so sehr geprägt von einer Welt in der im Grunde nur Leistung und wirtschaftlicher Nutzen zählen, dass wir schnell den Blick für das Wesentliche verlieren.
Somit kann ich nur sagen, es ist wahrscheinlich doch am Ende so, wie mit den Geschwistern ohne DS auch, man muss ein gesundes Mittelmaß finden, zwischen (mal klassisch benannt) Nachhilfeunterricht, Hobbys, Alltag und Freizeit…alles können wir nicht schaffen! Und wir müssen auch versuchen uns nicht aus dem Konzept bringen zu lassen durch ewiges Vergleichen mit anderen.
Der Rucksack unserer Kinder ist voller Möglichkeiten, wir können sie mit guter Förderung unterstützen, diesen Rucksack auszupacken…wir können aber selbst nicht dazulegen.
Der Inhalt dieses Beitrags bzw. das zugehörige Interview ist auch in den MITTEILUNGEN des Arbeitskreis Down-Syndrom Deutschland e. V. (Ausgabe 111/2021) am 21.03.2021 erschienen.
Mehr Infos zum Arbeitskreis und den MITTEILUNGEN findet ihr hier:
Mitteilungen 110 (04/2020) – Arbeitskreis Down-Syndrom Deutschland e.V. (down-syndrom.org)
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